Üben und Gehirn- Feuerwerk der Neuronen

von Kerstin Wiehe

Vom ersten Ton bis zum Meisterstück

Musizieren macht Spass. ÜBEN auch? Hier liest du, was du selbst dafür tun kannst, wie dein Gehirn dir dabei helfen kann und wie das Üben wieder spannender wird, sollte sich einmal Langeweile einstellen.

Üben!!

Hast du schon einmal eine Bergwanderung gemacht? Ein Instrument lernen und regelmässig üben ist nämlich ein bisschen wie bergwandern. Wenn es steil bergauf ging, hattest du vielleicht keine Lust mehr und wolltest aufgeben. Aber du wolltest ja hinauf und bist weitergelaufen. Sicher warst du stolz, als du es dann doch geschafft hattest.

Vielleicht kamst du auch gerade aus der Schule und hattest einen «ziemlich schweren Rucksack» mit vielen Haus­aufgaben dabei. Oder du wolltest eigentlich gar nicht mitkommen, weil du gerade ein so spannendes Game am Computer spieltest? Zum Glück hat deine Familie dich einfach mitgenommen, denn sonst hättest du als einziger das tolle Glacé im Gipfelrestaurant verpasst.

Das Üben üben

Mit einem Musikinstrument gut umgehen zu lernen, braucht nicht nur auf einem Blasinstrument oder beim Singen genügend Puste. Man muss auch das Üben erst lernen, wie bei einer langen Wanderung. Mal geht es ganz leicht, dann kommst du nur langsam voran. Am Anfang sprintest du los und merkst dann, dass du viele gleichmässige Schritte im richtigen Tempo machen musst, um den Gipfel zu erreichen. Um dorthin zu kommen, musst du dich auch mal anstrengen und durchhalten. Aber auch Pausen zur rechten Zeit geben wieder neuen Schwung. Zusammen mit anderen wandert es sich oft leichter und du merkst die Anstrengung gar nicht, schon bist du oben.

Üben, üben, üben!

Wenn du oft wanderst, hast du eine gute Kondition und liebst vielleicht die Herausforderung, auch einen hohen und schwierigen Berg zu erklimmen. Belohnt wird man zum Glück nicht erst, wenn man oben ist. Unterwegs gibt es ständig Neues und Schönes zu entdecken, und jede Landschaft ist wieder anders, so wie jedes Musikstück auch.

Was im Gehirn passiert

Du hast ein tolles Werkzeug im Kopf. Das Gehirn lernt ununterbrochen etwas Neues und verändert sich dabei immer genau so, wie du es brauchst. Das heisst, du kannst eigentlich alles lernen, was du willst.

Aber die Sache hat einen kleinen Haken. Du musst das Gehirn regelmässig mit Informationen füttern bzw. die gewünschte Fähigkeit trainieren. Das Gehirn entwickelt sich nämlich nur dahin, wo es gebraucht wird. Das ist sehr schlau von der Natur so eingerichtet, denn so wird keine Energie verbraucht, ohne dass sie etwas nützt.

Das Gehirn ist wie ein grosses Netzwerk, in dem sich ständig neue Verbindungen bilden. In diesen Verbindungen sausen die «Neuronen» mit unglaublicher Geschwindigkeit hin und her. Wenn du etwas Neues machst, ist diese Verbindung wie ein schmaler Pfad und nur wenige Neuronen sind dort unterwegs. Durch Wiederholung wird der Pfad schliesslich zu einer breiten Autobahn mit Platz für viele Neuronen. Dann kannst du etwas schon ziemlich gut. Das Gehirn hat sich angepasst.  Man nennt das «Neuroplastizität», also die Formbarkeit des Gehirns.

Das klingt nach langweiligem «Muskeltraining» für das Gehirn? Zum Glück hält die Natur noch eine nette Überraschung bereit. Beim Verarbeiten von Musik schüttet das Gehirn Glückshormone aus. Deshalb machen wohl so viele Menschen Musik. Sie haben einfach Freude daran.

Beim Musizieren ist der ganze Körper im Einsatz. Augen, Ohren, Arme, Beine, Hände, Finger, Atmung und Bewegung im ganzen Körper: Alles spielt gleichzeitig zusammen und an den Tönen merken wir sofort, ob das auch geklappt hat. Im Gehirn ist dann ziemlich viel los und wir merken es meist gar nicht, vielleicht wegen der Glückshormone. Das ist wie ein schönes Feuerwerk im Gehirn. Nur wenn wir uns überfordern und z.B. etwas immer viel zu schnell spielen, sind wir eher frustriert, weil es einfach nicht gelingen will.

Dass das Musizieren Spass macht, hat auch damit zu tun, dass Musik und Sprache eng verwandt sind. Beide sind im Gehirn im sogenannten «Broca-Zentrum» angesiedelt.

Forscher glauben heute, dass der Mensch die Sprache entwickelte, weil er in Gruppen erfolgreicher war, z.B. bei der Nahrungssuche oder beim Jagen. Dafür war Kommunikation nötig und die Übergänge zwischen Singen und Sprechen waren in der Entwicklung der Sprache wahrscheinlich fliessend. In der Musik verstehen wir uns ja auch ohne Worte und finden einen gemeinsamen Rhythmus. Musik ist so etwas wie unsere «zweite Sprache», so die Forscher.

Im zweiten Teil "Üben und Gehirn" bekommst du praktische Tipps zum Üben.